Jährlich sorgen Überflutungen, Blitz- und Hagelschlag, starke Winde und auch Tornados für hohe Sachschäden in Thüringen. Leider werden auch immer wieder Menschen verletzt oder gar getötet. Die Thüringer Landschaft hat dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung und Stärke der Gewitter.
Trotz des heutigen Stands der Wettermodelle, die zeitlich und räumlich schon sehr gute Ergebnisse in der Vorhersage liefern, sind Gewitter nicht punktgenau im Voraus einzugrenzen. Verschiedene regionale Faktoren neben der Windströmung spielen in Thüringen eine nicht zu verachtende Rolle. Gewitterhöhepunkt sind in der Saison von April bis September die Monate Juni und Juli zwischen 15:00 und 19:00 Uhr. In der Nacht ist es bevorzugt die 2. Nachhälfte zw. 02:00 und 06:00 Uhr morgens. Dabei zeichnet sich eine höhere Gewitteraktivität im Süden und Osten des Landes ab, wie die folgenden Karten der Thüringer Klimaagentur, die Bestandteil der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG) ist, zeigen.
Hier gibt's die meisten Gewitter
© Karte: Thüringer Klimaagentur/TLUG (zum vergrößern bitte auf die Karte klicken)
Diese Karte zeigt die mittlere jährliche Anzahl von Gewittertagen (Gewittertag= ein Tag mit einem Blitz von Wolke zu Boden) in einem 1.5 km großen Radius um den Beobachtungsstandort aus den Jahren 1992 - 2013. In den blauen Bereichen gibt es die wenigsten Gewittertage, in den gelben Bereichen ist die Anzahl als durchschnittlich zu sehen, orange bis rot signalisiert eine hohe Anzahl von Gewittertagen.
Generell gibt es von Nord nach Süd steigende Gewitteraktivität. Entlang des Thüringer Waldes, vom östlichen Ilm-Kreis über Saalfeld-Rudolstadt, dem südlichen Weimarer Land weiter durch das Saaletal bis ins Holzland ist ebenfalls häufiger mit Gewittern zu rechnen (rote Eingrenzung). Innerhalb dieser Regionen treten zudem lokal häufiger intensive Gewitter auf, als es beispielsweise im Altenburger Land der Fall ist. Nördlich des Thüringer Waldes und im Thüringer Becken sind Tage mit Gewittern mit durchschnittlich 2 bis 4 Tagen pro Jahr seltener, aber längst nicht schwächer: Gerade im Unstrut-Hainich-Kreis treten durchschnittlich wenige, aber kräftige Gewitter auf.
Kleinräumige Spitzen zeigen sich auch nahe der Hainleite im Kyffhäuserkreis und bei Artern. Im Norden ist der Landkreis Nordhausen weniger von Gewittern betroffen als das Eichsfeld. Der Große Inselsberg im Thüringer Wald und der Bleßberg südwestlich von Neuhaus/Rwg. stechen in den Kategorien Gewittertagen, Blitzdichte und Gewitterintensität besonders hervor (rote Punkte in der Karte oben). Ursache dafür sind die exponierten Standorte beider Berge mit gleichzeitg hohen Sendemasten auf den Gipfeln.
© Karten [2]: Thüringer Klimaagentur/TLUG (zum vergrößern bitte auf die Karte klicken)
Mittelgebirge haben entscheidenden Einfluss
Gebirge zwingen Luftmassen zum Aufsteigen und können die Bildung von Gewittern fördern oder verstärken, aber auch auf der windabgewandten Seite abschwächen. Der Thüringer Wald hat einen großen Einfluss auf die Verteilung von Gewittern und Starkniederschlägen im Land. So werden z.B. Gewitterzellen oftmals im Bereich Suhl und Masserberg ausgelöst und wachsen je nach Windströmung zu größeren Gebieten östlich und südlich des Thüringer Waldes an oder aber ziehen bei Südwestströmung ins Vorland. Verschiedene Seitentäler und große Höhenunterschiede fördern lokal die Anhebung von erwärmter Luft, aus denen später Gewitter entstehen können. Ähnlich verhält es sich entlang des Thüringer Schiefergebirges, der Rhön und dem Frankenwald.
Die Ilm-Saale-Platte mit ihrem Hügelland und Tälern, besonders dem Saaletal, verzeichnet ebenfalls eine Häufung an gewittriger Aktivität. Hier ziehen nicht nur Gewitter heran, sie entwickeln sich auch in diesem Bereich neu. Das ist ebenso in den Regionen im Südosten (Vogtland, Oberes Saaletal, Holz- und Osterland) zu beobachten. Gerade nach Südosten ausgerichtete Hänge ohne Wald können sich bis zur Mittagszeit durch die nach Westen wandernde Sonne besser aufheizen als bewaldete Gebiete. Die kleineren Höhenzüge im Thüringer Becken (z.B. Fahner Höhe oder Hainleite) können ebenfalls Gewitter auslösen - jedoch wesentlich seltener als die Gebirge im Süden.
Auch die benachbarten Mittelgebirge beeinflussen die Verteilung von Gewittern: Vom Erzgebirge und Vogtland ziehen gern bei südöstlicher Strömung Gewittercluster heran, die sich quer über das Land nach Nordwesten ausbreiten und regelrechte "Gewitterstraßen" ausbilden. Der Harz sorgt hingegen bei nordwestlichen Winden dafür, dass sich die Schauer- und Gewitterzellen auf der windabgewandten Seite besonders in den Landkreisen Nordhausen und Kyffhäuser abschwächen.
Gewitterschäden Gewitterseite
Überflutungen in Rudolstadt
Mehr als 100 l/m² in zwei Stunden setzten Teile Rudolstadts am 31.05.2008 unter Wasser (Bild: Markus Weggässer).
Eisgeschosse
Hagelschlossen nach einem Gewitter in Bad Blankenburg (SLF) im Mai 2011 (Bild: André Ludwig)
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Gewittercluster
Imposante Strukturen eines Gewitterclusters am 10.07.2014 bei Erfurt (Bild: Stephan Preißler)
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A38 mit Hagel
Ein kräftiges Gewitter sorgte auf der A38 im LK Nordhausen für eine geschlossene Hageldecke (Bild: Maurice Schwamberger)
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Schäden nach Unwetter
Große Äste sind nach einem Unwetter am 05.07.2012 in Gera herabgestürzt (Bild: Markus Weggässer)
Schwergewitter Nordthüringen
Bedrohliche Böenfront des "Nordthüringen-Unwetters" vom 11.09.2011 bei Sondershausen (Bild: Marco Rank)
Schäden durch Fallböen
Diese Zerstörungen richteten Gewitterfallböen am 31.05.2011 nahe Nordhausen an (Bild. H. Michel)
Schäden nach Unwetter
Von Ästen übersäht ist eine Straße in Gera am 05.07.2012, als ein kräftiges Gewitter über die Stadt zog (Bild: Markus Weggässer)
Superzelle in Südthüringen
Diese LP-Superzelle zog am 29.06.2012 über Südthüringen hinweg (Bild: Dany Knoethig-Thieme)
Überschwemmungen nach Gewitter
Überflutungen in Worbis nach einem heftigen Gewitter am 11.09.2011 (Bild: Jonas Lamprecht).
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Tornado 2014
Zwischen Buttstädt und Weimar zog am 11.07.2014 dieser Tornado ohne größere Schäden entlang (Bild: Marco Pickelmann)
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Blitzschlag
Wolke-Erde-Blitz bei Altenburg im Juni 2012 (Bild: Christoph Selle)
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Überflutungen nach Gewitter
Nach einem Unwetter mit einer Niederschlagsmenge über 100 l/m² in zwei Stunden stehen Teile Rudolstadts am 31.05.2008 unter Wasser (Bild: Markus Weggässer).
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Gebäudeschäden durch Gewitterabwinde
In Hauröden wurden mehrere Dächer am 26.07.2013 durch Gewitterböen beschädigt (Bild: Jonas Lamprecht)
Gewitterzelle
Eine freistehende Gewitterzelle im Juli 2013 (Bild: Kay Herrmann)
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Wo es besonders kräftig schüttet und hagelt
Neben Blitz und Donner ist Regen die häufigste Begleiterscheinung bei Gewittern. Die Verteilung von Starkniederschlägen durch Gewitterzellen ist lokal sehr begrenzt und nicht zuletzt auch wieder von der Windströmung abhängig. Gerade bei schwacher Windströmung werden die Gewitterzellen vom Wind "nicht mitgenommen" und bleiben quasi stehen. Dort, wo das der Fall ist, können in kurzer Zeit erhebliche Regenmengen fallen.
Zu Überflutungen durch Gewitter kann es im Grunde bei jeder Gewitterzelle kommen, egal ob sie im Thüringer Becken oder Thüringer Wald auftritt. Hohe Regensummen, wenig Verlagerung des Gewitters und schon kleinere Hänge fördern plötzlich auftretende Überschwemmungen (sog. "flash floods"). Diese können bis zu einem Meter hoch sein, in Extremfällen darüber.
Auswertungen der Thüringer Klimaagentur für eine Niederschlagsradar-Zeitreihe von 2004 - 2010 zeigen, dass auch hier die Gebiete im Süden und Osten eine Häufung an Starkregenfällen durch Gewitter aufweisen. Die folgende Karte ist zunächst eine Übergangslösung, bis die hoch aufgelösten Karten der Thüringer Klimaagentur veröffentlicht sind. Bitte beachten Sie, dass diese Karte nur sehr grob die häufiger betroffenen Gebiete von Gewitterstarkregen (gelber Bereich) eingrenzt. Natürlich treten auch abseits dieser Markierungen Starkregenereignisse durch Gewitter auf, im Vergleich zum "gelben Gebiet" jedoch weniger.
Bei Hagel sieht die Verteilung schon anders aus - auch wenn sich lokale Spitzen wiederum im Süden Thüringens zeigen. Hagel ist ein sehr eng begrenztes Phänomen, was aber im betroffenen Gebiet immensen Schaden anrichten kann. Stimmen die Gewitterzutaten (hoher Feuchtegehalt in der Atmosphäre, Labilität, Hebung und vertikale Windscherung), können sich in gut organisierten schweren Gewitterzellen regelrechte "Hagelspuren" entlang der Zugbahn des Gewitters zeigen.
Der größte Gesamtschaden aufgrund von Hagelfall in Deutschland entstand mit ca. 3,6 Mrd € am 27.07. und 28.07.2013. Ein Hagelunwetter in Reutlingen (Baden-Württemberg) ließ dabei bis zu 14 cm große Brocken vom Himmel fielen. Die markantesten Ereignisse in Thüringen waren u.a. der 22.07.2003 (Region Jena), 16.06.2006 (Region Bad Berka bis Jena) und der 11.09.2011 (Eichsfeld/Nordhausen).
Tornados in Thüringen - alles andere als "Mini"
Tornados sind keine Seltenheit in Deutschland und Thüringen. Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika treten diese nicht in so hoher Anzahl und Intensität auf. Der häufig verwendete Begriff "Mini-Tornado" ist viel zu verharmlosend für die tatsächliche Zerstörungskraft. Die folgende Tabelle gibt die bekanntesten und teils folgenreichsten Ereignisse aus dem Freistaat wieder. Hinzu kommen deutlich mehr Verdachtsfälle und häufige Sichtungen von "Funnels", also Tornadotrichtern, die aus der Wolke ragen, aber nicht den Erdboden erreichen. Eine Auflistung aller jährlichen Sichtungen finden Sie unter www.tornadoliste.de.
Tornado bei Buttstädt (SÖM) vom 11.07.2014 (Video: Marco Pickelmann)
Datum | Ort/Gebiet | Stärke | Weitere Informationen |
11.07.2014 | Buttstädt bis Weimar | unbekannt | |
12.05.2011 | Oßmannstedt/Rödigsdorf bei Apolda | F1 | |
11.06.2009 | Meuselwitz (ABG) | F1 | Tornadoliste 2009 |
02.10.2006 | Quirla (SHK) | F3 | Sonderseite Tornado Quirla |
23.07.2004 | Sorna (SOK) | F1 | Tornadoliste 2004 |
23.11.1984 | Zöllnitz bei Jena | F2-F3 | Tornado Zöllnitz |
12.07.1984 | Töttelstädt bei Erfurt | F2-F3 | Tornadoliste 1984 |
15.06.1980 | West/Nordthüringen (8 Tote, 9 Verletzte) | F1-F2 | Tornadoliste 1980 |