Einer der markantesten Gewittertage 2011 brachte einen Tornado der Stärke F1 bei Apolda hervor, während sich in Nordthüringen Wasser, Schlamm und Hagel auf der A38 bei Nordhausen stapelten.

Nahaufnahme des Tornados direkt neben der B87 zwischen Rödigsdorf und Schwabsdorf (Quelle: Arne Homberger).

Wetterlage: Ausgangslage mäßig - Ergebnis Unwetter

Unter leichtem Hochdruckeinfluss herrschte über Mitteldeutschland nur schwache Luftbewegung. Quer über Deutschland erstreckte sich eine Luftmassengrenze, die kühlere Luft im Nordwesten von feucht-warmer Luft im Osten und Süden trennte. Über Westeuropa lag ein umfangreicher Trog (Gebiet niedrigen Drucks und kalter Temperaturen) oberhalb von 5km Höhe. Von diesem Komplex löste sich ein kleiner Anteil (sog. Kurzwelle), der die Gewitter auslöste und die Bildung eines kleinen Bodentiefs über Thüringen begünstigte.

Hohe Windscherung (Drehen des Windes mit der Höhe und Zunahme der Geschwindigkeit nach oben hin) in Kombination mit lokalen Windkonvergenzen (Zusammentreffen von Windrichtungen aus unterschiedlichen Richtungen) im Gebirgsumfeld liesen eine dynamische Ausgangslage bei mäßiger Labilität und Feuchtigkeit zu. Noch am Vortag waren aufgrund der schwächer modellierten Windscherung keine organisierten bzw. schweren Gewitter über Thüringen wahrscheinlich.

Nordhausen: A38 versinkt in Schlamm und Hagel

Gegenn 13:00 Uhr bildeten sich nordöstlich von Worbis (EIC) erste Gewitter. Eine gut organisierte und kräftige Gewitterzelle zog etwa 30 Minuten später nahezu parallel zur A38 südlich von Nordhausen nach Osten. Hohe Radarreflektivitäten über 55 dbZ deuteten auf ergiebigen Regen und Hagel hin. Zwischen 14:35 und 14:45 zeigten sich außerdem Radarmerkmale einer Superzelle zw. Windehausen, Görsbach und Berga (Kyffhäuser).

Von Werther bis zur Landesgrenze richtete die Gewitterzelle auf Ihrer Zugbahn Schäden an: Starkregen löste Überflutungen aus. Die A38 bei Werther war in Fahrtrichtung Leipzig überschwemmt und mehrere Stunden gesperrt. Hagel zw. 2 und 4 cm Durchmesser richtete in Görsbach Schäden an etlichen Häusern und in der Vegetation an. In der Zugbahn des Gewitters stapelte sich der Hagel teilweise über 20 cm hoch.

Das Video zeigt eindrucksvoll die von Schlamm, Wasser und Hagel überflutete Autobahn zw. Werther und Nordhausen (Das Datum im Videotitel ist falsch. Am 18.05.2011 gab es in der Region keine Niederschläge). Der ergiebige Starkniederschlag löste von den zur Autobahn geneigten Feldern eine Schlammlawine aus.

Abschätzung der potenziellen Erosionsgefährdung (Erosion = Bodenabtrag, z.B. durch Niederschlag) mittels Allgemeiner Bodenabtragsgleichung (ABAG): Aufgrund der nach Norden in Richtung Autobahn einfallenden Ackerschläge (Hangneigung Ø 10 – 15 %) und der vorherrschenden erosionsanfälligen schluffig-sandigen Bodenart weisen die dargestellten Landschaftsteile eine hohe Erosionsgefährdung auf.

Die folgende Grafik zeigt eine Vielzahl von Abflussbahnen, die das Niederschlagswasser sammeln und für einen beschleunigten linearen Abfluss sorgen:

Einen Bericht zur Gewitterjagd ist hier zu finden: 12.05.2011 / Superzelle mit Hagel und heftigen Starkregen / Goldene Aue

Galerie mit weiteren Schadensbildern: nnz-Galerie: Schlamm

Weitere Eindrücke der Gewitterjagd von diesem Tag sowie Schadensbilder:

Tornado zwischen Rödigsdorf und Apolda

Zwischen 14:30 und 15:00 Uhr bildete sich im Weimarer Land zwischen Oßmannstedt - Rödigsdorf - Gewerbegebiet Oberroßla, nordwestlich von Weimar entlang der B87 in Richtung Apolda ein Tornado, der Schäden an der Vegetation und in einigen Gärten anrichtete. Verletzt wurde niemand. Zeitungsangaben zu Folge wurde eine große Tanne umgeknickt, Gegenstände umhergewirbelt und Zäune beschädigt. Anwohner berichteten außerdem von einer dicken Staubschicht auf Autos und Gegenständen. Durch die anhaltende Trockenheit konnte der Tornado große Mengen an Staub aufwirbeln. Glücklicherweise zog der Tornado an bewohnten Gebieten und dem nahen Gewerbegebiet vorbei und löste sich vor der Kreisstadt auf.

Die genaue Stärke ist nicht bekannt, auf Grund von einzelnen Schäden wurde der Tornado auf mindestens F1 eingestuft.

Zahlreiche Menschen beobachteten den Tornado und konnten beeindruckende Videos und Bilder aufnehmen:

19 bestätigte Tornados sind seit dem Jahr 2000 in Thüringen bekannt. Im Weimarer Land wurde zuletzt am 11.07.2014 ein Tornado zwischen Buttstädt und Pfiffelbach gesichtet. Verletzte und teils schwere Schäden in einer Wohnsiedlung hinterließ ein starker Tornado in Quirla bei Stadtroda in der Nacht zum 02.10.2006.

Ein Tornado gilt durch die Tornado-Arbeitsgruppe Deutschland e.V (TAD) als bestätigt, wenn Foto- oder Videomaterial den Tornado mit Bodenkontakt zeigen, verlässliche Augenzeugenberichte vorliegen und/oder das Schadensmuster eindeutig für einen Tornado spricht.

Jährlich treten zw. 30 und 60 Tornados in Deutschland auf. Hinzu kommen viele Tornadoverdachtsfälle, entweder mit einem verdächtigen Schadensbild oder sog. Funnelclouds (Trichterwolken, die aus der Wolke ragen). Da sich der Wirbel unterhalb der Trichterwolke unsichtbar nach unten fortsetzt, besteht bei Beobachtung einer solchen Trichterwolke ein Tornadoverdacht. Wird der Bodenkontakt des Wirbels durch entsprechende Schäden nachgewiesen, wird der Fall bestätigt.

Zwar gibt es in den (wesentlich größeren) USA jährlich mehr Tornados als in Deutschland, die Windgeschwindigkeiten erreichen jedoch hierzulande ähnliche Werte.

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