1,43 Billionen Liter Wasser* fielen zw. dem 30.05. und 02.06.2013 über Thüringen. Das Hochwasser Ende Mai/Anfang Juni 2013 sorgte für großflächige Überschwemmungen und erhebliche Sachschäden in Höhe von ca. 450 Mio. Euro. Ein Jahrhunderthochwasser erlebten die Menschen in Ostthüringen besonders entlang der Weißen Elster und Pleiße**.


Das Hochwasser in Greiz Anfang Juni 2013 (Bild. W. Preißler)

1. Ausgangslage

Über Mitteleuropa prägte die Großwetterlage "Trog Mitteleuropa" das Wettergeschehen Ende Mai 2013. Das bedeutet, dass tiefer Luftdruck unter windschwachen Bedingungen dominierte und subtropische Luftmassen vom Mittelmeer mit kühleren Luftmassen vom Atlantik über Mitteleuropa kollidierten. So konnte es über Tage über der gleichen Region wiederholt zu ähnlichen Wettererscheinungen mit hohen Niederschlagsmengen kommen.

Nachdem sich ein Tief über den Niederlanden, welches kühle Atlantikluft über Frankreich nach Süddeutschland führte, und ein weiteres Tief über Polen zu einem steuerndem Zentraltief über Tschechien vereinten (Großwetterlage ab hier "Tief Mitteleuropa") , sorgte um das Tief herumgeholte Warmluft aus Südosteuropa sowie das Tief umlaufende Kurzwellentröge (Gebiete kalter Luft in großer Höhe) mehrfach für die Ausbildung neuer Regengebiete und Gewitterlinien, die von Nordost nach Südwest zogen (also entgegen der meist vorherrschenden Luftströmung Südwest-Nordost).

Hinzu kam, dass sich diese Niederschlagsgebiete an den Gebirgen (Thüringer Wald, Thüringer Schiefergebirge, Erzgebirge) stauten. Als 3. Faktor spielte die extreme Bodenfeuchte Ende Mai eine Rolle. Diese lag im Bereich eines neuen, absoluten Maximums. Das Wasser konnte nicht mehr in die Böden eindringen und blieb oberirdisch stehen. Die späte Schneeschmelze in den Gebirgen durch den andauernden Winter im März und April 2013 kam als ein weiterer Faktor hinzu. Diese Konstellation begünstigte schließlich das Hochwasser zum Monatswechsel.

Die extreme Bodenfeuchte -hier am Beispiel Meiningen- wird besonders ab dem 19.05.2013 deutlich (Grafik: DWD)

 

2. Hochwassersituation 25.05. - 27.05.2013

Nach den Gewittern zum Pfingstwochenende, die in Erfurt durch Wasser und Hagel und durch eine Sturzflut im Raum Kirchhasel beträchtlichen Schaden anrichteten (jeweils 17.), kam es im Zeitraum vom 25.05. bis 27.05. zu flächendeckenden Regenfällen in Thüringen, die für einen ersten Anstieg der Wasserstände in allen Flusseinzugsgebieten führten. Im Vergleich zum noch kommenden Hochwasser erreichten die Pegelstände zwar noch nicht sehr hohe Wasserstände, doch waren diese auch maßgebend an den noch folgeden hohen Pegeln beteiligt. Am Pegel der Ilm in Mellingen und Niedertrebra wurde die Hochwasseralarmstufe 2 ausgerufen. Nach kurzer Beruhigung im Verlauf des 27.05. entspannte sich die Lage vorerst, ehe sie sich zum 30.05. akut verschärfte.

3. Hochwassersituation 30.05. - 01.06.2013

Die Wasserstände der Thüringer Flüsse waren bereits gebietsweise im Bereich des Mittelwassers bzw. leicht darüber durch den vorangegangenen Dauerregen. Durch die Regenfälle seit dem 29.05.2013 stiegen die Flusspegel ab dem 30.05. teils rasant an. Weiter zugespitzt wurde die Lage am Abend des 31.05., als eine Gewitterlinie mit Starkregen über den Freistaat zog. Entsprechend erhöhten sich die Wasserstände in der Nacht zum 01.06. und tagsüber in einigen Gebieten noch einmal drastisch. Vom 30.05. bis 01.06. fielen großflächig Niederschlagsmengen zw. 50 und 90 l/m² über Thüringen.

Wie schnell die Wasserläufe auf die hohen Abflussmengen reagierten, zeigte sich u. A. an folgenden Pegeln: An der Ilm in Mellingen wurde in der Nacht zum 01.06. der Meldebeginn (150 cm) überschritten. Bereits um 10:15 Uhr am 01.06. lag der Wasserstand über der höchsten Alarmstufe 3 mit 354 cm und einem Durchfluss von 98,4 m³/s. Am nur wenig entfernten Pegel in Niedertrebra wurde mit einem Durchfluss von 112 m³/s der bislang höchste Abfluss nach 1994 und 2011 gemessen.

Mit 2 Hochwasserscheiteln hatte die Landeshauptstadt zu kämpfen: Der erste erfolgte mit einem Abfluss von 197 m³/s (389 cm Wasserstand) am 31.05. frühnachmittags, der zweite am 01.06. gegen 11:00 Uhr (199 m³/s, 390 cm Wasserstand). Der 2. Scheitel stellt den zweithöchsten jemals gemessenen Wert nach dem Hochwasser 1994 dar. Besonders betroffen waren die Stadtteile Büßleben, Molsdorf, Hochheim, Möbisburg und Bischleben. Aus einer Gartenanlage mussten am Freitag (31.05.) Menschen per Hubschrauber evakuiert werden.

In Stadtroda wurde die Innenstadt überschwemmt und eine 40 Meter lange Stütztmauer eingerissen. In der Folge musste ein leerstehendes Haus, dessen Fundament unterspült wurde, abgerissen werden. In Hartmannsdorf kam es zum Stromausfall, Graitschen (SHK) war zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten.

Bekannt geworden ist durch die Flut an der Gera die Gemeinde Walschleben im Landkreis Sömmerda, nördlich von Erfurt. Der Deich entlang der Gera wurde von hunderten Helfern gesichert, nachdem sich bereits erste undichte Lücken gezeigt hatten. Es gelang am Ende Walschleben und die umliegenden Orte, wie etwa Rieth-Nordhausen, vor einem Deichbruch zu bewahren. Das Ausmaß des gefallenen Regens wurde auch im Umkreis des Rückhaltebeckens Straußfurt (Unstrut) deutlich.

Das Hochwasserrückhaltebecken Straußfurt trug zu einem erheblichen Teil zur Hochwasserentschärfung im unteren Flusslauf der Unstrut bei. Am 29.05. betrug der Stauinhalt 13,2 Mio. m³. Ehe dem Auflaufen der 2. Hochwasserwelle mit 2 Scheiteln am 31.05./01.06.2013 konnte noch einmal eine Absenkung von 9,9 Mio m³ erreicht werden, ehe die Spitzenzuflüsse bei 250 bis 260 m³/s eintraten, die letztlich am 02.06. für einen Vollstau des Rückehaltebeckens sorgten, welches aktiv hochwasserentlastet wurde.

Landesweit, vom Altenburger Land über den Süden des Landes bis ins Werratal und dem Eichsfeld sorgte das Hochwasser für Straßensperrungen, Überschwemmungen von Grundstücken und Gebäuden, Gewerbegebieten und Eisenbahnstrecken. Feuerwehr, THW, Katastrophenschutz und viele freiwillige Helfer waren bis zur Erschöpfung im Einsatz. In Sachsen startete jüngst eine Projektgruppe "Ziviles Katastrophen Hilfswerk" des THW, das sich zum Ziel setzt, die freiwilligen Helfer, die nicht in einer Hilfsorganisation sind, zu koordinieren.

Im Weimarer Land gab es mehrere Straßensperrungen, da nicht nur das Wasser auf den Straßen stand, sondern auch zahlreiche Bäume im Wurzelwerk unterspült wurden und umfielen. Ein Gleisabschnitt wurde ebenfalls unterspült und der Bahnverkehr unterbrochen. Hangrutsche gab es im Weimarer Land ebenso wie im Saale-Holzland- und Saale-Orla-Kreis. Auch auf der A4 bei Magdala drohte ein Hang abzurutschen, weshalb die einspurige Verkehrsführung für noch mehr Rückstau auf der Autobahn sorgte.

In Jena spitzte sich die Lage über das Wochenende weiter zu. Das Ernst-Abbe-Stadion wurde überflutet, der Leichtathletik-Tag musste abgesagt werden. Die B88 war für den Verkehr gesperrt, Abwasseranlagen fielen zeitweise aus. Vorsorglich mussten einige Trafostationen abgestellt werden, was zur Stromausfällen in Teilen der Stadt führte.

Am Pegel der Saale in Camburg-Stöben wurde mit einem Durchfluss von 310 m³/s der höchste seit 1932 gemessene Wert registriert. Die Saaletalsperren Hohenwarte (LK Saalfeld-Rudolstadt) und Bleiloch (Saale-Orla-Kreis) registrierten während der 1. Hochwasserwelle am 26./27.05. einen Zufluss von 100 m³/s. Durch die prognostizierten Niederschlagsmengen zum Monatswechsel wurde die Hohenwartetalsperre weiter entlastet, wodurch am Saale-Pegel Kaulsdorf die Hochwasseralarmstufe 2 erreicht wurde. Die Regenfälle, die Ostthürigen zum Junibeginn beeinflussten und für katastrophale Auswirkungen sorgen sollten, spiegelten sich auch an der Saalekaskade wieder: Am 02.06. betrug der Zulauf 250 m³/s, am 03.06. wurde mit 323 m³/s das Maximum gemessen. Beide Talsperren befanden sich im Vollstau und die aktive Hochwasserentlastung sprang an.

4. Hochwassersituation ab 02.06.2013

In der Nacht zum 02.06. griff von Osten her das nächste Niederschlagsgebiet auf Deutschland über. Dieses Regengebiet staute sich am Erzgebirge und beeinflusste den Osten Thüringens. Im Einzugsgebiet der Ostthüringer Flüsse gingen noch einmal hohe 24-stündige-Regenmengen nieder. So stiegen die Pegel am frühen Morgen des 02.06. in rasanter Weise an Auma, Weida, Weißer Elster, Pleiße und Sprotte. Von Greiz über Gera bis nach Gößnitz wurden Evakuierungen nötig. Der Pegel der Weißen Elster in Gera-Langenberg lag ohnehin schon nach den Niederschlägen zum Monatswechsel im Bereich der höchsten Alarmstufe 3. Durch die Regenfälle und eine Entlastung der sächsischen Talsperren im Oberlauf der weißen Elster stieg der Pegel noch einmal um gut einen Meter über die ohnehin schön höchste Alarmstufe an. Teilweise wurden sogar die Messbereiche der einzelnen Pegel überschritten (siehe Grafiken).

Mit einem sehr hohen Durchfluss von 569 m³/s am Pegel Gera-Langenberg ordnete sich das Juni-Hochwasser als das zweithöchstes Ereignis nach dem Hochwasser 1954 (667 m³/s) ein. Auch am 03.06. kam es zu weiteren Regenfällen, die noch Auswirkungen auf die Thüringer Flussgebiete im Osten/Südosten des Freistaats hatten.

Nachfolgend ein grober Überblick der Schäden in ausgewählten Orten:

Greiz: Mehrere Millionen Euro Schaden: Der Greizer Park wurde laut Zeitungsangaben regelrecht verwüstet. Im Sommerpalais stand das Wasser 40 cm hoch. Die B92 und B94 im Stadtgebiet waren gesperrt, Teile der Innenstadt unter Wasser, ein Kindergarten wurde stark beschädigt, das Sommerbad ebenso, 120 Personen in der Greizer Neustadt mussten evakuiert werden. Rößdorf war mehrere Tage von der Außenwelt abgeschnitten.

Berga: 7 Mio. Euro Schaden, 450 Menschen evakuiert.

Gera: 30 Mio. Euro Schaden, Evakuierungen im Stadteil Untermhaus, 10.000 Haushalte waren zeitweise ohne Strom, die Fernwärmeversorgung war teils unterbrochen. Neben der Feuerwehr, THW und Katastrophenschutz war auch die Bundeswehr im Einsatz. Das Wasser hat Spuren im Hofwiesenpark, Stadion der Freundschaft, Otto-Dix-Haus, Orangerie und einigen Schulen hinterlassen. 

Schmölln: 2,6 Mio. Euro Schaden, Wehre und Brücken sind beschädigt, Ortsteile mussten evakuiert werden.

Gößnitz: 8,6 Mio. Euro Schaden, beschädigte Brücken, Evakuierungen. Allein im Landkreis Altenburger Land betragen die Schäden 60 Mio. Euro.

In den übrigen Gebieten hatte sich ab dem 01.06. die Hochwassersituation Schritt für Schritt entstpannt. Im Einzugsgebiet der Mainzuflüsse fiel das Hochwasser ohnehin nicht so extrem aus wie im Osten bzw. der Mitte des Landes. In den Ostthüringer Flussgebieten kann teilweise von einem "Jahrhunderthochwasser" laut TLUG gesprochen werden. Mit Stauseen und weiteren Stauanlagen im Land konnten noch schlimmere Auswirkungen entlang der Flüsse vermieden bzw. beherrscht werden. Die Talsperren Hohenwarte und Bleiloch erreichten Anfang Juni Ihren Vollstau. Insgesamt waren an 14 Talsperren während des Hochwasserereignisses die aktive Hochwasserentlastung angesprungen.

5. Überblick Niederschlagsmengen

Wochensumme der Niederschläge vom 27.05. - 03.06.2013: In Ost- und Südostthüringen deutet die dunkelblaue Färbung auf Niederschlagsmengen über 100 l/m² hin. Langenwetzendorf-Götterndorf (GRZ) war mit 119,0 l/m² Regen der Spitzenreiter im Freistaat, gefolgt von Ponitz (ABG) mit 113,3 l/m². Man beachte auch die verbreiteten Regensummen über 100 l/m² im Großteil Sachsens. Im Rest Thüringens mit Ausnahme des Thüringer Beckens und Nordthüringen fielen ebenfalls Mengen zw. 50 und 100 l/m². Weitere Niederschlagsmengen im Forum.


 

* Pressemitteilung des Deutschen Wetterdienstes vom 06.06.2013

** Link erloschen: Das Hochwasserereignis im Mai/Juni 2013 in Thüringen (Thüringer Landesanstalt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz)

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